Es werde Licht, Folge 2

Stimme 1:„Na?“
Stimme 2:„Jaja. Erste Iteration. Sie wissen doch, daß so früh selten starke Abweichungen auftreten.“
Stimme 1:„Ach Quark. Wenn die Balance nicht stimmt, geht das recht schnell den Bach runter.“
Stimme 2:„Ich möchte Sie daran erinnern, daß das kein Spiel ist. Hier steckt ein Haufen Geld drin.“
Stimme 1:„Eben. Und wie bei allen teuren Spielzeugen soll es sich echt anfühlen. Und das testen wir zuallererst wie?“
Stimme 2 (seufzt):„Mit erhöhtem Komplexitätsgrad der Umwelt. Wie immer.“
Stimme 1:„Gee-nau.“

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… und das Licht dehnte sich aus …

20.3.2075:
Hamide war seit Stunden unterwegs. Sie klapperte alle ihr vorstellbaren Orte ab, an denen sie sich herumtreiben könnte, aber ohne Erfolg. Ihr Vorhaben wurde etwas durch den unangenehmen Fakt erschwert, daß sie sich ein wenig im Hintergrund halten mußte, wollte sie nicht von Leuten erkannt werden, die sie immer noch suchten. Paranoia? Vielleicht. Aber ein Jahr war nicht immer genügend Zeit.
Sie riß ihre Mirage herum, als aus einer Seitenstraße ein kleiner Scooter geflitzt kam, ohne die Vorfahrt zu beachten. Idiot, dachte sie und stellte sich vor, wie ein 45-Tonnen-Freightliner ohne eine einzige Sensormeldung über das kleine Gefährt hinwegholzen und den darauf kauernden Fahrer zu einem braunroten Brei zerdrückt über die nächsten 200 Meter Straße verschmieren würde. Locker bleiben.
An der Ohlauer Brücke nahm sie die Straße nach links, die sie in Richtung Sonnenallee führen würde. Nur noch mal an den Spätis und Wettläden vorbei fahren…

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Gunter genoß die ersten warmen Sonnenstrahlen in einem Straßencafé an der Ecke Pannierstraße. Die ziemlich großzügige Entlohnung der Erntewiederbeschaffungs-Aktion hatte ihm einige friedliche Tage mit echtem Erholcharakter beschert. So hatte sein heutiges Tagesgeschäft aus einer Folge von verschiedenen Tee- und Latte-Sorten in einigen Szenecafés des Neuköllner Nordens bestanden. Als wieder einmal ein Bike mit sattem Pfeifen an der Straßenecke vorbeihuschte, an der er sich gerade sonnte, mußte er an die türkische Orkin denken, mit der er beim letzten Run zusammengearbeitet hatte. Deren Suzuki hatte ein ähnliches Geräuschspektrum abgestrahlt. Einem plötzlichen Impuls folgend, klappte er sein Telekom auf und selektierte ihren Anrufcode. Ihr sonorer Alt ließ nicht lange auf sich warten. „Efendim?„, tönte es aus dem Gerät. „Was gibt’s?“, wiederholte sie, als Gunter nicht antwortete.
„Ja, ich bins, der Gu“, sprach er in das Mikro. „Ich dachte, ich könnte dich spontan zu einem Kaffee einladen. Ich weiß ja nicht, wo du bist, aber hier in Neukölln gibts eine Menge leckerer Latte-Sorten oder echten Kaffee.“ Auf der anderen Seite blieb es eine Weile still, dann antwortete Savatchi „Wo genau hast du gedacht?“
Gu überlegte eine Sekunde, dann fiel ihm eine passende Stube ein. „Weser- Ecke Wildenbruchstraße ist ein klasse Laden. Klein und gemütlich.“ „Viele Türken?“ Die Frage kam so schnell, als hätte sie sich nur mit Mühe zurückhalten können, ihm nicht ins Wort zu fallen.
„Äh … “ er stutzte. Sie war doch selber eine Türkin. Rassistisch motiviert konnte diese Frage ja kaum sein. „Nnnnnnein, eigentlich nicht so viele“, gab er etwas zögernd zurück. „Macchiato ist eher selten beliebt bei denen.“
„Gut, meinetwegen“, antwortete Savatchi. „Fünf Minuten.“ Sie legte auf.
Acht Minuten später saßen sie in dem kleinen Café, das Gu ausgesucht hatte. Ihm war nicht entgangen, daß Savatchi ihre Mirage so geparkt hatte, daß sie im Zweifel einfach durch die Scheibe des Kaffeehauses auf ihr Bike springen könnte. Auch war sie nicht bereit gewesen, den Helm irgendwoanders als mitten auf dem Tisch abzulegen.
Als Gu gerade von seinen letzten Tagen im Dienste der Suche nach den besten Szenekaffees erzählte, bekam er eine Mitteilung von seiner Schieberconnection Simone. „Brauche Muskeln. Meld dich“, las er. Er seufzte. Telegrammstil war wohl das neue Nett. Heute zumindest. Er sah Savatchi über den Tisch hinweg an. „Ich bekomme gerade ein Jobangebot für Muskeln. Hast du Zeit?“
Savatchi sah auf. „Wo müssen wir hin?“
Diesmal mußte er nicht überlegen. „Heinrichplatz. Nicht weit.“ Die stämmige Orkfrau verzog das Gesicht. „Dahin nur mit Helm. Aber okay, hauen wir ab.“
Gu zahlte. Auf dem Weg nach draußen fragte er in seinem arglosesten Tonfall, ob er vielleicht bei ihr mitfahren könne. Sie drehte den behelmten Kopf in seine Richtung. Ich werde ihm wohl bald etwas deutlicher sagen müssen, daß ich sauer werde, wenn mir einer so dicht auf die Pelle rückt , entschied sie innerlich. Möge er den Hinweis verstehen. Zweimal hab ich noch nie dieselbe Warnung ausgesprochen. „Setz dich. Die Griffe sind hinten, wie du weißt. Aber wenn der SS abnervt, weil du ohne Helm fährst, kann ich Ballast nicht mehr brauchen. Verstanden?“ Gu nickte. Was hätte er auch sonst tun sollen?

Wenig später standen sie in Simones Büro. Simone hatte ein wenig die Stirn gerunzelt, als Savatchi sich geweigert hatte, den Helm abzunehmen, doch schließlich hatte sie es hingenommen. „Keine große Sache“, erklärte sie den beiden Runnern. „Es sei denn, hier ist jemand anwesend, der Probleme damit hat, die Horde als Ziel einer Bestrafungsaktion zu haben.“ Savatchi schüttelte den Helm, und Gu verneinte verbal.
„Schön. Trefft die Kontaktperson am Platz der Luftbrücke direkt am alten Denkmal. Dort alles weitere.“ Mit einem Fingerzeig erinnerte sie Gu daran, daß er für die Vermittlung des Kontaktes noch einen finanziellen Ausgleich vorzunehmen hätte. Als dieser vollzogen war, verließen sie Simones Räume und bewegten sich zur nächsten Etappe.
Auf dem Weg zum Platz fiel Savatchi etwas ein. „Es gibt ein Problem“, rief sie nach hinten zu Gu. Dieser machte eine fragende Handbewegung, da ihm klar war, daß auf dem Motorrad seine Stimme keine Chance auf Reichweite hatte. „Der Platz ist AAA-Gebiet. Kameras, automatisches Nummernschilderscannen und so weiter. Hab ich keinen Dampf drauf. Geh du alleine zum Johnson und mach den Deal klar. Ich hol dich weiter unten wieder ab.“ Gu signalisierte ein „OK“ und Savatchi gab Gas.

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18:00, Platz der Luftbrücke. Gu betrachtete gerade das in die Jahre gekommene Denkmal, an dem die Saeder-Krupp-Restaurateure noch immer Schäden beseitigten, die sich in den Jahren des Status F angesammelt hatten, als ihm eine elfische Frau auffiel, die sich ihm zielstrebig näherte.
„Guten Tag, Schmidt mein Name“, stellte sie sich vor. „Sie sind mir avisiert worden, aber ich hatte mit zwei Personen gerechnet …?“
„Ja, wissen Sie“, begann Gu, „meine Begleitung, eine übrigens ziemlich schlagkräftige und zielgenaue orkische Frau, fühlt sich unter so vielen Kameras und Sensoren etwas unwohl und möchte lieber…“
„Nun“, unterbrach ihn die Elfe, „da ich ungern die Katze im Sack kaufe und pro Person 10k angedacht waren … ich sehe hier eine Person, also hab ich 10 000 Euro. Vielleicht geh ich lieber noch mal eine Runde spazieren, und wenn ich wieder hier ankomme, dann sind die dabei, die hier stehen. Geschäft ist Geschäft.“ Sie drehte sich um, ließ Gu stehen und schlug einen Kurs ein, der auf einen scheinbar wahllos dahinschlendernden jungen Mann zielte, den sie auch ansprach. Gu holte sein Handkom hervor. Als die Verbindung zu Savatchi aufgebaut war, hielt er sich nicht mit Floskeln auf. „Die zahlt nur an Leute, die sie sieht. Schätze, du mußt dich irgendwie hierherbewegen. Sorry.“ Ihr ohnehin unverständlicher türkischer Fluch wurde beim Trennen der Verbindung jäh abgeschnitten.

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Erneut stand Frau „Schmidt“ vor Gu, der diesmal nicht alleine war. Savatchi neben ihm hatte sich in ein seltsames Gemisch aus Mantel, Hoodie und Schals gehüllt, und hätte Gu nicht gewußt, daß Savatchi weiblich war, hätte er gedacht, neben sich einen dicken Mann stehen zu haben. Was möglicherweise genau ihre Absicht war. Frau „Schmidt“ schien das nicht im Geringsten zu stören.
„Da wir ja nun allein und vollzählig sind“, begann sie, während sie den Blick über die noch kahlen Blumenrabatten schweifen ließ, „hier die Details. Ich vertrete eine Gruppierung, der lebende Ware abhandengekommen ist. Allem Anschein nach haben sich einige Mitglieder der Horde gedacht, statt selber welche heranzuholen, könne man doch von irgendeinem Straßenstrich einfach ein paar Mädchen, äh, abwerben. Meine Auftraggeber finden das einen erbärmlich schlechten Stil, und sie möchten nicht nur, daß die Ware, immerhin 11 Mädchen, unversehrt zurückgebracht wird, sondern auch, daß das nicht noch einmal passiert. Das wäre dann Ihr Part. Wie angekündigt 10 000 pro Person, Vorschuß 1000 sofort, den Rest bei erfolgreichem Abschluß der Aktion. Sie treffen ihren dritten Mann um 19 Uhr im PowWow, einer Bar am Grimmpark.“ Sie reichte jedem von ihnen einen Credstick mit bereits 1000 Euro geladenem Guthaben. „Nach Abschluß der Rückholaktion bin ich unter der Nummer auf dem Credlabel zu erreichen. Dann bekommen Sie Anweisungen zur Ablieferung der Ware.“
Nachdem aus ihrer Sicht alles gesagt war, drehte sie sich um und ging, als hätte sie die beiden nie eines Blickes gewürdigt.
„Wenns das war, dann will ich jetzt hier weg“, knurrte Savatchi. Gu nickte. „Jo, scheint so, nech?“

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19:00 Uhr, PowWow. Leiser Zwergenpunk beschallte den Raum, ohne die Möglichkeit der Unterhaltung zunichte zu machen.
Gu und Savatchi setzten sich in eine erhöhte Sitzgruppe, an der bereits der junge Mann vom Platz der Luftbrücke wartete. Das alte, echte Leder, auf dem sie sich niederließen, machte den Eindruck, bereits im letzten Jahrtausend von diversen Hintern gedrückt worden zu sein. Könnte auch Fake sein. Allerdings hatten sie gelesen, daß diese Spelunke tatsächlich über 80 Jahre alt war und nie den Namen oder die Architektur geändert hatte.
Der junge Mann am Tisch stellte sich als „Pierosch“ vor. Seine Rolle bei dem Run war seiner Aussage nach die eines Sanitäters. Falls die Entführer der empfindlichen Schar Hühner gegenüber ausfällig geworden wäre, sollte er mittels Heilmagie den vorigen Zustand so gut wie möglich wiederherstellen. Außerdem stellte er klar, daß er auch offensiv tätig werden könnte, dies aber eher nicht zu seinem Briefing passen würde. Seinen Informationen nach war die Zahl der zurückzuholenden Arbeiterinnen inzwischen auf 12 angestiegen, die in einem Hochhaus in Gropiusstadt untergebracht waren. Nicht ganz zufällig war dieser Klotz auch ein beliebter Treffpunkt der Horde.
„Hm. 12 Personen sind eine ganze Menge.“ Gu stützte sein Gesicht in die Hände und überlegte. „Wir brauchen ein großes Auto.“
„Das ist kein Problem“, winkte Pierosch ab. „Ich chabe Automann, der mir alles geben kann, was fährt. Ist nur immer eine Frage des Preises.“
„Wieviel?“ Savatchi überlegte bereits, wie hoch sie gehen könnte.
„Asi sagt, 3000 für Bus mit Platz für 10 Leute.“ Pierosch schien gut vorbereitet. „Wir können abholen, wann wir wollen. Müssen wir aber ihm zurückbringen in sein anderes Lager.“
Savatchi sah Gu an. „Das wäre dann unser Vorschuß komplett. Richtig? Von jedem den Tausi von der Schnalle.“
Gu nickte. „Pierosch, hast du auch 1000 Vorschuß bekommen?“ Pierosch bestätigte. „Okay, dann machen wir wohl besser alles richtig, sonst is‘ Essig.“ Savatchi schien ungern so knapp zu kalkulieren. „Wie lange brauchst du für den Bus? Wär übrigens geil, wenn er ein wenig gepanzert wär – nur für alle Fälle. Ich müßte dann nämlich jetzt nochmal weg, um die richtige Bewaffnung einzusammeln. Wenn ich schnell fahre, brauch ich zwei Stunden. Wenn ich wieder da bin, fahr ich das Moped in den Bus und wir tuckern nach Gropiusstadt.
Nachher kann ich ja neben euch herfahren und Eskorte machen.“ Pierosch gab ihr eine Adresse in Neukölln in der Nähe der Lahnstraße. Sie grüßte und verschwand.

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21:30 Uhr. Ein Hochhaus an der Fritz-Erler-Allee. Allen Mutmaßungen zum Trotz waren die Bäume, die die Klotzbauten des ausgehenden 20. Jahrhunderts umgaben, weder an der Umweltverschmutzung eingegangen noch den zahlreichen Wintern oder den ebenso zahlreichen Straßenschlachten zum Opfer gefallen. Manche dieser Bäume waren also mehr als hundert Jahre alt und entsprechend groß. Da sich niemand darum gekümmert hatte, das Laubwerk davon abzuhalten, dem Haus zu nahe zu kommen, waren die untersten sechs Stockwerke der Häuser in dieser Siedlung im Sommer chronisch mit Licht unterversorgt, weshalb sich dort gerne Metamenschen einfanden, die mit verschieden schweren Formen von Lichtallergie zu kämpfen hatte. Da jetzt Mitte März noch kein Blatt das Wagnis einging, sich aus der schützenden Knospe zu schälen, sahen die Hochhäuser so aus, als würden sie aus einem übergroßen Heuhaufen herausragen. Der unauffällige Bus stand etwa 60 m vom Haupteingang des Hauses entfernt, und Savatchi und Gu spähten nach verdächtigen oder zumindest auffälligen Bewegungsmustern in dem Wohnblock, in dem sie die Horde und die entführten Prostituierten wußten.
Gegen 22:00 gab es erste Bewegungen. Eine kleine Gruppe von etwa 5 in Hordenfarben gekleideten Ork-Gangern fand sich vor dem Haus zusammen, lungerte dort herum und sah allgemein so aus, als sei sie ein Zusammenschluß von verschieden stark unter Einfluß irgendwelcher psychotropen Substanzen stehenden Individuen, die nicht so recht wußten, was sie mit sich anfangen sollten. Während Gu und Savatchi diese Gruppe im Auge behielten, versuchte sich Pierosch im magischen Ausspionieren des Hauses. Nachdem er seinen magischen Lebensformensuchradar hatte laufen lassen, konnte er den Punkt für sich einfahren. „Alles klar, ich hab was“, verkündete er. „22. Etage, da oben an der Galerie, zweite Tür links.“ Savatchi zoomte sofort an die entsprechende Stelle, konnte aber nichts auffälliges entdecken. „Jetzt müssen wir also nur noch an den Pennern vorbei, ohne daß die Alarm schlagen.“
Gu warf einen fragenden Blick auf Savatchis Ares Alpha. „Hast du jetzt eigentlich den Schalldämpfer?“ Die Angesprochene sah etwas unglücklich aus. „Nee, keine Zeit. Verdammt, ich muß das mal machen.“
In ihr Gegrummel hinein hörten sie das Geräusch eines leistungsfähigen Motors. Ein gepanzerter Wagen, der danach aussah, als würde er Vertreter irgendeiner „Ordnungsmacht“ beherbergen, machte seine Runde über den Verbindungsweg zwischen den Häusern und erfaßte mit dem Suchscheinwerfer die Orks, die daraufhin den Versuch begannen, sich nicht allzu hastig aufzulösen und in verschiedene Richtungen davonzutorkeln. Welchem Konzern oder welcher Behörde dieser den Runnern willkommene Zwischenfall zu verdanken war, ließ sich aus der Entfernung und wegen der Dunkelheit nicht bestimmen, aber ausnahmsweise beschwerte sich niemand im Bus.
„Wenn das keine Einladung war …“ Savatchi griff ihre Ares Alpha fester und stupste Gu an. „Los, Bubi“, stänkerte sie. „Go, go, go.“ Sie sah zu Pierosch, um irgendeinen Widerspruch bei ihm zu finden, doch der polnischstämmige Adept hatte bereits seine Tür geöffnet und war bereit zum Entern.
Die 60 Meter zum Hauseingang waren leicht zu überwinden. Gu fragte sich, ob er nicht lieber geräuschlos mit dem Dietrich arbeiten könnte, um die Haustür zu öffnen, doch als sich das Trio der Glastür näherte, erkannte er, daß hier Subtilität nicht gerade als Standardwerkzeug zählte: etwa drei Viertel der Glasscheibe neben der Tür waren herausgebrochen, und wenn man unbedingt die Tür hätte öffnen wollen, dann hätte man einfach durch das große Loch gegriffen und die Klinke betätigt. Da solche „Anpassungen“ der Baustruktur bei der Errichtung dieses Hauses noch nicht in die gedanklichen Schubladen der Architekten integriert worden waren, waren gerade die Häuser der Gropiusstadt oder der Märkischen Viertels ziemlich anfällig für derartige „Anpassungen“.
Im Eingangsbereich des Treppenhauses funktionierte wie erwartbar das Licht nicht. Allerdings war auch keiner der Runner auf solches angewiesen. Daher sah Savatchi sofort den alten Ork, der in einer Ecke des Flurs lag. Er sah zwar aus, als hätte ihn jemand dort hingefegt, aber seine Position war strategisch günstig, und er trug unzweifelhaft einen gepanzerten langen Mantel. Sobald sie diese Information greifbar hatte, bemerkte sie auch, daß der Alte etwas langes starres unter dem Mantel verbarg, und sie tippte im Zweifel in einem solchen Szenario lieber zu früh auf eine Schrotflinte oder ähnliches als zu spät.
„Bekommst du den leise hin?“, flüsterte sie Pierosch zu, als sie ihn auf den Wächter aufmerksam machte. Der nickte nur und schoß wie beiläufig aus seiner schweren Armbrustpistole einen Bolzen ab, der den Alten am Hals erwischte und schlagartig ins Reich der Träume schickte.
Gu stand derweil schon vor dem Lift. Seine Miene drückte Frust aus. „War ja klar“, maulte er. „22 Etagen und der Fahrstuhl is‘ Schrott.“ Pierosch stöhnte. Über 450 Stufen. Shit.
Savatchi bildete die Vorhut. Leichtfüßig flitzte sie die erste Etage hinauf und öffnete die Tür zur Galerie, an der sich vier der Wohnungstüren auf dieser Etage befanden. Niemand war zu sehen oder zu hören. Leise öffnete sie die Tür zum Treppenhaus zur nächsten Etage einen Spalt. Und da war schon der nächste Aufpasser. Ein Ork mit einem deutlich sichtbaren Cyberarm. Und einer unkalkulierbaren Menge an Waffen darin, dachte sie bei sich. Da sie sich noch nicht mit Lärm bemerkbar machen wollte, würde sie es Gu oder Pierosch überlassen, den Aufpasser auszuschalten.
Sie wartete, bis beide in Position waren und öffnete dann die Tür zum Treppenhaus. Gu sprintete die Stufen hoch, um den Ork zu überraschen, kam aber gegen die Geschwindigkeit, mit der sich die von Pierosch entfesselte magische Energie ausbreitete, nicht an. Der Betäubungszauber schlug ein, und der Ork wankte. Gu wollte einen schnellen und finalen Schwerthieb landen, aber der Ork konnte noch genügend Koordination aufbringen, dem Hieb seine beste Panzerung entgegenzuhalten. Es knirschte, und der Ganger ächzte, aber er fiel nicht. Savatchi sah ein, daß sie schnell handeln mußte, um dem Aufpasser keine Gelegenheit zu geben, Hilfe zu holen. Sie folgte Gu und setzte zu einem wuchtigen Schlag mit der linken Faust an, der den Ork von den Beinen holen sollte, doch dieser drehte sich überraschend agil um seine Achse, und ihr Schlag ging ins Leere. Seine Antwort folgte sofort, war aber viel zu langsam, als daß sie nicht mühelos in der Lage gewesen wäre, seinem Schwinger aus dem Weg zu spazieren. Er hatte seine Schlagbewegung kaum beendet, als er die Augen verdrehte und nach hinten gegen die Wand krachte, daran hinunterrutschte und liegenblieb. Savatchi stutzte, sah zu Gu, der ebenfalls ratlos die Schultern hob und dann zu Pierosch, der soeben eine Verbeugung andeutete.
„Können wir weiter?“ Savatchi blickte zwischen ihm und dem Bündel auf dem Boden hin und her. „Ich weiß nicht“, antwortete sie. „Der wird aufwachen und Alarm geben…“
Pierosch winkte ab. „Aber nicht in fünf Minuten.“
Die bullige Orkfrau wandte sich zum Gehen. „Soll mir …“ „Ich mach das“, unterbrach Gu sie. „Geht schon vor.“
Pierosch und Savatchi tauschten einen Blick und stiegen dann weiter nach oben. Der Adept hatte das Pech, daß er durch seine gesteigerten Hörsinne so deutlich hören konnte, als würde er direkt am Ort des Geschehens stehen, wie Gu sein Messer quer durch den Hals des Bewußtlosen zog. Das Gurgeln des Blutes in den plötzlich geöffneten Adern und das Plätschern des Lebenssaftes auf dem Betonboden ließ ihn würgen, obwohl er schon auf der Galerie in der zweiten Etage stand. Savatchi packte seinen Arm und zog ihn vorwärts. „Komm schon. Das geht uns nichts an.“ Sie öffnete die Tür zum Treppenhaus, das in den dritten Stock führte. Niemand zu sehen.
In der dritten Etage holte Gu sie wieder ein. Wortlos schlichen sie weiter, immer weiter die Treppen hinauf.
In der sechsten Etage begegneten sie einem Troll, der einen Norm verprügelte. Der Troll trug so etwas ähnliches wie eine Hausmeisteruniform, die schon deutlich bessere Tage gesehen hatte. Als er die drei sah, pöbelte er sie etwas lallend an. „Was glotzt’n ihr so, ihr Penner. Verpißt euch.“ Pierosch fand den Norm schon etwas zu ramponiert, als daß er noch viel weitere Schläge vom wesentlich kräftigeren Troll verkraften würde. Andererseits schien auch der Norm nicht zu wissen, daß er die Prügelei schon vor langer Zeit verloren hatte. Undeutlich nuschelte er immer noch auf den Troll gemünzte Beleidigungen hinaus, die auch einen kultivierteren Vertreter der Subspezies ingentis an den Rand der Beherrschung gebracht hätten.
„Habt ihr mich nicht gehört, ihr Feifen? Verpißt euch, bevor’s für euch auch noch heiße Ohren gibt.“ Der Troll schien gut in Fahrt zu sein.
Savatchi legte ohne Eile die drei Meter zum Troll zurück und drückte ihm den Lauf der Alpha unter das schwabblige hornige Kinn. Zusätzlich legte sie eine Hand an ihren Helm, deren Haltung andeuten sollte, daß sie etwas schwerhörig sei. Der Troll gab abrupt seine aggressive Haltung auf und nahm die Hände an die Schulten, wobei er den verbeulten Menschen einfach fallenließ. „Alles easy, alles okay. Ich sehe, ihr habt coole Argumente. Wo solls denn hingehen? Kann ich helfen?“
„Nein“, gab Savatchi zurück. „Wir gehen hoch und bringen den Müll runter. Nix was dich betrifft. Aber der hat wohl genug, findste nich?“
„Hey, ja klar, war ja nich so gemeint.“ Der Troll schien keine Lust mehr auf Widerspruch zu haben und zog sich zurück.
Der Trupp setzte seinen Weg fort.
Im 9. Stockwerk meldete sich Pierosch. „Leute, ey … macht mal halblang“, preßte er schweratmend hervor. „Ich bin kein Marathonläufer.“ Er japste mitleiderregend und war rot wie eine Tomate.
„Soll ich dich tragen oder springst du dann über die Brüstung?“ Savatchi konnte es nicht lassen, auf ihre überlegene Konstitution hinzuweisen. „Bubi schaffts auch.“ Sie deutete auf Gu, der zwar etwas angestrengt wirkte, aber weit entfernt von der Erschöpfung war, die Pierosch befallen hatte.
„Nur … eine … Minute, … okay?“ Nach einer kleinen Atempause fügte er hinzu: „Wer konnte denn ahnen, daß ihr hier wie die Gipfelstürmer lossprintet?“
Nach einer Minute gab Pierosch das Zeichen zum Weitermarschieren. Sicherheitshalber verabredeten sie, alle 5 Etagen eine Pause einzulegen, denn wenn ausgerechnet der Heilmagier in den Seilen hing, kaum daß er wirklich gebraucht wurde, war die Planung des Einsatzes (und der Planer natürlich auch) ein heißer Kandidat für den Darwin-Award.
Die Pause im 15. Stockwerk nutzten Gu und Savatchi, um zu lauschen, ob irgendwo jemand Anstoß an den beiden flachliegenden Opfern im Erdgeschoßbereich genommen hatte. Dies schien aber nicht der Fall zu sein.
Im 20. Stockwerk fiel die Pause etwas länger aus. Die Zieletage war jetzt nur noch zwei Ebenen entfernt, und alle drei verwendeten jetzt mehr Aufmerksamkeit darauf, ihre Kräfte zu schonen und leiser zu sein. Savatchi spähte wie üblich ins Treppenhaus und erwartete nichts Böses, als sie das leise Sirren einer Flugdrohne hörte, die dort ihre Patrouille flog. sie ließ die Tür wieder leise zugleiten und zischte „Scheiße. Wachdrohne. Hier kommen wir nicht weiter, wenn wir sie überraschen wollen.“
Pierosch überlegte einen Moment. „Wir könnten an der Hauswand hochlevitieren. Das würde uns dahinbringen, wo wir wollen, aber wir kämen dann aus einer unerwarteten Richtung.“ Savatchi staunte Bauklötze. „Wie .. das kannst du? Das is cool, Alter. Hab ich letztens schon mal gemacht. Ich bin dafür.“
Der Adept stoppte ihre Begeisterung mit einer Handbewegung. „Moment. Laß mich nur noch mal kurz schauen, ob alles grün ist.“ Er wirkte seinen Lebenerkennungszauber, und vor seinem inneren Auge erschienen die Schemen lebender Materie im Haus. Metamenschen in jeglicher Lage, ein paar Tiere, ein paar Pflanzen. In manchen Ecken ein gleichmäßiger Teppich, der ein untrügliches Zeichen für Schimmel oder Bakterienrasen war – also Ecken, in denen etwas großes vergammelte, und zwei Stockwerke über ihnen genau da, wo sie hinwollten, standen ein Ork, der zumindest in seiner jetzigen Wahrnehmungsart denen glich, die unten herumgepöbelt hatten sowie ein Ork, der beängstigend viel Cyberware mit sich herumschleppte.
„Isses natürlich nicht“, murrte er, als er seinen Zauber fallenließ. „Da oben stehen zwei Dudes vor der fraglichen Tür, und einer von denen trägt ’ne Menge Blech mit sich rum. Wir sollten von da hinten rangehen.“ Er deutete auf das Ende der Galerie und skizzierte den Weg, den er sich vorgestellt hatte, indem er mit dem Finger in der Luft herumrührte.
Die beiden anderen nickten. Er griff nach den Armen von Gu und Savatchi und schwebte mit ihnen über die Galeriebrüstung nach oben. Savatchi sah sich während des Aufstieges um und erhaschte in der letzten Sekunde, bevor sie alle um die Hausecke entschwebten, einen Blick auf einen dunklen Schatten, der auf der Galerie im 21. gerade in entgegengesetzte Richung davonfuhr. Ihr wurde schlagartig eiskalt, als ihr bewußt wurde, daß sie die Dobermann-Fahrzeugdrohne schlicht übersehen hatte. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn der Rigger das Trio bemerkt hätte und – nur zur Sicherheit – den beiden dünnen kleinen Menschen je eine Salve aus einem MG eingeschenkt hätte. Natürlich hätte der Magier seinen Zauber, und damit auch alle Beteiligten, fallengelassen, und es hätte eine schöne Savatchi-Sauce mit Gu-Krümeln und Pieroschrahm vor dem Haupteingang gegeben. Sie atmete tief durch und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
Auf Höhe der 22. Etage hielt Pierosch an. Alle drei klebten wie Fliegen an der Wand und bewegten sich zentimeterweise Richtung Hausecke. Savatchi als Vorderste würde kurz um die Ecke spähen und dann das Go-Signal geben. Pierosch bereitete sich darauf vor, das Grüppchen so schnell wie möglich auf der Galerie landen zu lassen, damit er seine Kräfte für andere Aktionen freihalten könnte. Gu hatte in der Zwischenzeit sein langläufiges Gewehr schußbereit gemacht, um sich auf Opposition konzentrieren zu können, die aus irgendwelchen entfernteren Löchern gekrochen kommen könnte.
Dann kam Savatchis Signal. Eigentlich hatte sie vorgehabt, im Rücken des Samurais zu landen, um ihren Stand- oder besser: Flugortnachteil auszugleichen, aber als sie um die Ecke spähte, war der Verdrahtete gerade in einer Drehbewegung, in deren Verlauf er direkt auf die Stelle sehen mußte, an der sie gerade hing. Also mußte jetzt der Überraschungseffekt her.
Pierosch schaltete schnell. Das Trio flog um die Ecke und Savatchi begann übergangslos damit, den Ork mit einer langen Garbe aus der Alpha zu beharken. Noch während der Angegriffene damit beschäftigt war, seinen zusehends mehr Löcher einsammelnden Körper gegen die Wand zu werfen und dunkelrote Flecke an ihr zu hinterlassen, setzte Pierosch noch einen drauf, indem er einen zusätzlichen Kampfzauber auf ihn entließ. Trotz dieses massierten Angriffes konnte der Samurai noch einen Gegenangriff starten. Seine Salve ging aber ins Leere, und ihm blieb nichts anderes übrig, als sich in volle Deckung hinter die Betonbalustrade der Galerie zu werfen. Gu hatte beim Start des Angriffes den Ganger gesehen, der vor dem Treppenhaus stand und Wache hielt. Die erste Salve veranlaßte ihn, seine Waffe zu ziehen und auf die Gruppe anzulegen, die noch immer in der leeren Luft hing. Doch sein Schuß ging vorbei, ebenso wie Gus Attacke. Der Orksamurai war jedoch nicht allein an seiner Position gewesen, sondern hatte einen der Ganger dabeigehabt. Dieser schoß jetzt auf Gu, der aber auswich und weiterhin den zuerst anvisierten Horden-Ork beschoß. Diesmal traf er. Der Ganger torkelte zur Seite und verschwand vorübergehend aus dem Blickfeld.
Da öffnete sich die zweite Tür an der Galerie (vom Treppenhaus aus gezählt), und ein Alptraum von einem Troll erschien. Groß, breit, überall Muskeln und Hauer. Und, als wäre das nicht beklemmend genug, ein LMG im Anschlag und einen großen Antiterror-Schild vor sich herschiebend. Sein Blick blieb an Savatchi hängen, die er sofort als schwierigstes Ziel identifizierte, und mit einem unterdrückten Grollen schwenkte er den langen Lauf auf die Orkin ein und zog durch. Das flackernde Mündungsfeuer des Maschinengewehrs tauchte die Szenerie in ein gespenstisch stroboskopisches Flackerlicht, das beinah künstlerisch wertvoll aussah, wenn man bereit war, über den eigentlichen tödlichen Zweck des Vorganges hinwegzusehen.
Pierosch, der als Levitationsverantwortlicher der Gruppe beim Anblick des Trolls vor Schreck beinah seine Konzentration verloren hatte, wußte, daß seine Position und damit die der Gruppe äußerst wacklig war, solange sie keine festen Boden unter den Füßen hatten. Ein einziger guter Treffer würde genügen, sie alle in den Tod stürzen zu lassen. Also trieb er sich selbst zur Eile an und warf sich und seine Mitstreiter geradezu in den Galeriegang des Hochhauses. Gu stand zuerst wieder stabil und schickte einen Schuß in Richtung des Trolls, der aber erwartungsgemäß keine Wirkung zeitigte.
Keine? Doch, es gab eine. Allerdings eine wirklich unerwartete. Der Troll nämlich warf sein LMG zur Seite, riß stattdessen eine beeindruckend große Streitaxt aus dem Anti-Terror-Schild, brüllte in ohrenbetäubender Lautstärke „WOLLT IHR STERBEN, IHR MADEN?“ und stampfte unaufhaltsam auf die Gruppe zu. Pierosch nahm diese neue Art der Bedrohung zum Anlaß, dem ersten der Ganger mit seiner telekinetischen Manahand die Waffe zu entreißen und über die Brüstung in die Tiefe trudeln zu lassen. Dieser kreischte auf und rannte in wilder Flucht davon, wobei er den sich gerade wieder aus seiner Deckung erhebenden und seine MP schwenkenden Orksamurai anrempelte. Durch diesen Bodycheck mußte der Ork seinen Zielvorgang neu ausrichten, aber diese winzige Zeitspanne war sein Untergang, denn Savatchi hatte damit den ersten Schuß. Sie drückte ab, und eine rote Fontäne schoß aus dem Spalt zwischen Panzerjacke und Helm des Samurais, während sein Kopf nach hinten flog und mit einem hohlem klong gegen die Balustrade schlug. Mit grimmiger Zufriedenheit nahm sie zur Kenntnis, daß sie sich nun endlich ganz ihrem riesigen Gegner widmen konnte. Er oder wir. Insh Allah! Sie nahm kaum wahr, daß der andere Ganger auf sie schoß, denn in ihrem Kopf gab es nur noch die Klarmeldung des Unterlauf-Granatwerfers ihrer Ares Alpha. Jetzt! Sie riß den Lauf des Gewehrs hoch und löste aus.
Die Explosion des kleinen Sprengkörpers war wuchtiger als gedacht. Der flüchtende Ganger wurde von der Druckwelle angelüpft, beschleunigt und mit voller Wucht gegen die Einfassung der Tür geworfen, hinter der er seine Rettung gesehen hatte. Das Geräusch brechender Knochen wäre deutlich zu hören gewesen, wären nicht alle Ohren in Reichweite durch den mörderischen Knall der Granate kurzfristig ertaubt. Für ihn jedenfalls war der Kampf vorbei. Der Troll, das eigentliche Ziel der Sprengladung, blieb stehen wie gegen eine Wand gelaufen, aber der Schild verhinderte allzu deutliche Beeinträchtigung seiner Handlungsfähigkeit. Savatchi selbst spürte aber durchaus eine Wirkung des Knalleffektes, denn die Entfernung zum Ziel war, wenn man genau war, doch etwas sehr zu kurz für sogenannten „sicheren Einsatz“.
Als der Troll sich wieder zögerlich in Bewegung setzte, blitzte es hinter ihm auf, und der zweite Ganger wurde im Licht seines Mündungsblitzes erkennbar, als er erneut auf Gu schoß. Er verfehlte schon wieder und kippte danach sanft aus seinen Stiefeln, als Gus Revanche irgendeine seiner lebenswichtigen Biostrukturen außer Funktion setzte. Doch jetzt wurde es für die Gruppe kritisch, denn der Troll nahm mit erhobener Axt Fahrt auf und trabte brüllend auf sie zu. So vereinigten die Runner alle ihre Fähigkeiten zu einem konzentrierten Schlag: Savatchi mit Dauerfeuer der Alpha, Pierosch mit Kampfzaubern und Gu mit zwei schweren Revolvern. Diesen kombinierten Gewalten konnte auch das gepanzerte Fleischgebirge mit Schild nicht widerstehen, zumal die in der Ares Alpha eingelagerte APDS-Munition auch durch den Schild nicht recht zu stoppen war. Mit einem röchelnden Stöhnen brach er zusammen und starb. Zwei weitere Ganger, die noch auf der Bildfläche erschienen waren, erkannten zu spät, daß ihr auf-der-Bildfläche-erscheinen die falsche Wahl war und ließen ebenfalls ihr Leben auf einer Galerie im 22. Stockwerk eines tristen heruntergekommenen Hochhauses in der Gropiusstadt.
Dann wurde es still. Die drei Runner sahen sich um und versuchten, weitere Ziele zu identifizieren und den von ihnen entfesselten Orkan zu verarbeiten. Selbst Savatchis Abzugsfinger zuckte noch nervös, und sie versuchte, ihre Motorik nicht ihrer Kontrolle entgleiten zu lassen. Hektisch rissen alle drei daher ihre Waffen hoch, als sich eine Wohnungstür direkt neben ihnen öffnete und eine kleine offensichtlich unbewaffnete Drohne herausgefahren kam, die zu allem Überfluß noch ein weißes Taschentuch an einem Fähnchen trug. Aus dem Gerät tönte eine kratzige knarrende Stimme:
„Okay, Leute, machen wir’s doch so: ihr sucht nicht nach mir und ich schieß nicht auf euch. Noch mehr Blutvergießen braucht hier keiner. Deal?“
Das Trio verständigte sich kurz mit Blicken, dann sagte Pierosch deutlich „Deal. Wir nehmen uns, weswegen wir hier sind und hauen dann ab.“ Daraufhin fuhr die Drohne wieder rückwärts in die Wohnung, und die Tür schloß sich.
Savatchi setzte sich wieder in Bewegung und ging Sturmgewehr voran durch die Türöffnung, aus der der Troll erschienen war. Kurz darauf hörten die beiden anderen ihre Stimme, wie sie ruhig auf mehrere Personen einredete. Dann kamen eine nach der anderen die zwölf jungen Frauen in verschiedenen Gesundheits- und Bekleidungszuständen aus der Wohnung hervor. Die Runner sammelten noch brauchbare Ausrüstungsgegenstände ein und eskortierten die Frauen dann nach unten und in den zum Glück unangetasteten Bus.
Der Rest war Routine. Auftraggeber kontaktieren, Ware abgeben, Geld einsammeln. Ausschlafen. Freuen, daß man immer noch in einem Stück war.

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8 Antworten zu Es werde Licht, Folge 2

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  2. Savatchi schreibt:

    Der Rigger war übrigens von unserer Taktik recht beeindruckt und hatte uns noch eine Kontaktadresse hinterlassen, falls wir mal Bedarf an einem Drohnenrigger haben. Seitdem wissen wir:
    wenns doch mal in der Schwarte kracht,
    weils ohne Drohne kein‘ Spaß macht,
    und es stört auch noch ein Ganger-Boß:
    rufste halt nach Glok Norgoz.

    • magnusdarkz schreibt:

      Du reimst ja noch schlechter alsde riechst…;-)

      -M.Darkz (18:35:05/ 18.06.2075)

      • Savatchi schreibt:

        Ich würd ja jetzt eine angemessene Antwort geben, aber die hätte wohl lästige Konsequenzen.

    • thewatcher75 schreibt:

      Na, dann hoffen wir mal, daß das nicht sein richtiger Name ist, bzw. er sich aus dem Staub gemacht hat. Die Horde ist jedenfalls ziemlich angepisst von der Aktion und sinnt auf Rache.

      -Der Kiezwatcher (17:22:43/19.06.2075)

  3. Goronagee schreibt:

    Dieser Gu scheint ja zu wissen, wie man Probleme löst, aber wieso diese Inkonsequenz bei dem Trog-Hausmeister…?

    • magnusdarkz schreibt:

      Da kann man sicherlich unterschiedlicher Meinung sein. Und nem Hilflosen die Kehle durchschneiden kann im Nachgang och Probleme bereiten, besonders, wenn man dessen Kumpel dann einfach gehen läßt…

      -M.Darkz (18:36:14/ 18.06.2075)

      • Goronagee schreibt:

        Da muss ich dir sogar mal Recht geben. Wenn Gewalt, dann mit aller Macht und ohne Skrupel. Skrupel bringen einen früher oder später nur ins Grab!

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